Rom 1. October 1856.
Sehr geehrter Herr,
Ihr geneigtes Schreiben erhielt ich richtig,Nach dem Beantwortungsvermerk auf den Brief von Gregorovius an Brockhaus vom 16. August 1856 hatte der Verlag zuletzt am 15. September 1856 geschrieben. nachdem ich eben zuvor eine Anfrage und einen Laufzettel dem Manuscript nachgeschickt hatte.Gregorovius hatte dem vermissten Manuskript der Buchpublikation seiner „Grabmäler der Römischen Päpste. Historische Studie“ (Leipzig: Brockhaus 1857), das er Brockhaus am 12. Juli 1856 zum Verlag angetragen hatte, am 27. September 1856 einen postalischen Laufzettel hinterhergeschickt (siehe Malwida von Meysenbug: „Die Malerei war immer meine liebste Kunst“. Hrsg. Vera Leuschner. Bielefeld [u. a.]: 2002. S. 215–216). Ich bin froh, daß es in Ihren Händen ist.In Genazzano, wo Gregorovius sich vom 25. Juni bis zum 24. September 1856 aufgehalten hatte (siehe RT, 16.8.–2.10.1856, S. 63–64), war das Manuskript der Buchpublikation seiner „Grabmäler der Römischen Päpste. Historische Studie“ (Leipzig: Brockhaus 1857) abgeschlossen worden. Nach seinem Tagebucheintrag war der Versand am 7. August erfolgt (siehe ebd., 16.8.1856, S. 63).
Als ich wegen dieser neuen Schrift Ihnen zu schreiben vorhatte, war es mein Wunsch, Ihnen selbst als ein Zeichen eines unbegrenzten Vertrauens in Ihr Wolwollen, den Betrag der Summe zu überlaßen; weil ich aber bedachte, es könnte mir solches falsch gedeutet werden, als wollte ich eben damit ein höheres Honorar erzielen, unterließ ich es, und stellte meine Bedingungen, beides erwägend, Ihren zu erzielenden Gewinn, wie meine Ansprüche.Gregorovius hatte Brockhaus am 16. August 1856 seine Vertragsbedingungen für seine „Die Grabmäler der Römischen Päpste“ (1857) genannt. Ich sehe wol, daß Sie im Ganzen meinen Satz als gerecht befunden haben, aber es schmerzte mich, daß Sie jene Summe von 300 Thalern in 2 Raten zerteilen wollen.Gregorovius hatte für die erste Auflage von 1.000 Exemplaren ein Honorar von 300 Talern nach Annahme des Manuskripts verlangt (siehe den Brief von Gregorovius an Brockhaus vom 16.8.1856).
Hic meret aera liber Sosiis: hic mare transitHoraz, „De arte poetica liber“ (345 – dt.: Solch Buch verdient den Gebrüdern Sosius die Groschen: es wandert auch über See). – dies ist mein unerschütterter Glaube; und die Zweifellosigkeit des Unternehmens ist mir so offenbar, daß ich nicht ein Wort darüber sagen mag. Eine Summe von 300 Thalern sichert mich für einige Zeit, und gibt mir Ruhe für die Chronik von Rom; 150 Thaler entfernen die Sorge für nicht allzulange. Ich möchte mutiger von dieser Schrift denken, und vor allem ist es mein Wunsch, zu Ihnen in der freien Stellung des Vertrauens zu bleiben. Darum sage ich, wenn Sie nicht anders urteilen, geschehe es, weil Sie es so wollen; und ich werde die Teilung | 1vdes Honorars in 2 Raten acceptiren, nur wünsche ich, daß Sie die erste von 150 Thalern um das Geringe von 50 erhöhen, mir also für die I. Auflage von 1000 Exemplaren 200 Thaler vorauf –, und 100 Thaler nach dem Verkaufe von 150 Exemplaren nachzahlen.Nach dem Brief von Gregorovius an Brockhaus vom 27. Oktober 1856 lehnte Brockhaus diesen Vorschlag ab (Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Bestand 21083, Archivalnummer 22, 36).
Ich werde mich in Ihre Ansicht betreffs der folgenden Auflagen von je 1000 Exemplaren fügen, wenn Sie dieselben nicht höher, als mit 150 Thalern honoriren wollen.
Ich bitte um 15 Freiexemplare.
Ich werde Ihr Schreiben abwarten, und die Summe dann erst erheben, die Sie mir gönnen mögen. Mir wäre es erwünscht, wenn Sie mir dieselbe durch Torlonia auszahlen ließen,Durch den Bankier, Unternehmer und Kunstsammler Allessandro Torlonia (1800–1886). Die Torlonia gehörten zum jüngeren römischen Geldadel. Siehe auch RT: „Hier ist die Prinzessin Torlonia [Teresia Doria Colonna, 1822–1875)] wahnsinnig geworden. Sie ist eine schöne Dame vom alten Haus Colonna. Als der Bankier ihre Hand gewann, sagte er: sie ist eine antike Statue, und ich habe das Postament von Gold, sie darauf zu stellen.“ (30.4.1856, S. 60–61) denn ich mag mir von den Deutschen in Rom nicht gern in meine Honorare hineinsehn laßen.
Fructus mundi ruina est.
Der Papst Gregorius I.Gregor I. (um 540–604; 590–604 Papst), „Homilia in evangelium“ (dt. etwa: Der Weltenlohn ist der Untergang. Das Motto wurde der Widmung wunschgemäß vorangestellt).
Ich bitte diesen sehr wahren Spruch als Motto über die Widmung an (den Geheimrat) Alertz zu setzen, deßen Name mit t zu schreiben ist.Seinen „Die Grabmälern der Römischen Päpste“ hatte Gregorovius ein auf den 26. Juli 1856 datiertes Widmungsschreiben an seinen Freund Clemens August Alertz (1800–1866) vorangestellt, dem ehemaligen Leibarzt der Päpste Gregor XVI. (1765–1856) und Pius IX. (1792–1878), des Prinzen Heinrich von Preußen (1781–1846), der zuletzt auch preußischer Gesandtschaftsarzt war. Wenn wir die 2. Auflage der Pabstgräber veranstalten,Die „Zweite neu umgearbeitete Auflage“ erschien unter dem Titel „Die Grabdenkmäler der Päpste. Marksteine der Geschichte des Papsttums“ erst 1881 bei Brockhaus. so wird es in Ihrem Belieben stehn, dieselbe mit dem Grabmal Pauls III. von Wilhelm della PortaDas Grabmal von Papst Paul III. (1486–1549) ist das 1555 bis 1575 entstandene Hauptwerk des Michelangelo-Schülers Guglielmo della Porta (1500/10–1577) im Petersdom in der Nische neben Berninis Kathedra Petri. zu zieren.
Ich danke Ihnen aufrichtig für die Übersendung der Recensionen:Am 12. Juli 1856 hatte Gregorovius um Zusendung der Besprechung seiner Übersetzung der „Lieder des Giovanni Meli von Palermo“ (1856) von Robert Prutz (1816–1872) gebeten (Uebersetzungsliteratur. In: Deutsches Museum. Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. Jg. 6. Nr. 29. Leipzig: Brockhaus 17.7.1856. S. 108–117, hier S. 114–115). In seinem Schreiben vom 5. August 1856 hatte er sich insbesondere über eine sehr positive Rezension seiner „Figuren. Geschichte, Leben und Scenerie aus Italien“ (1856) von August Lammers (1831–1892) im „Deutschen Museum“ erfreut gezeigt (Nr. 21. Leipzig: Brockhaus 22.5.1856. S. 771–773). Bis zum Oktober 1856 waren rund ein Dutzend Besprechungen seiner „Figuren“ erschienen. für die Folge würde ich nur um das bitten, was das Deutsche Museum sagt. | 2rich lese Recensionen ungern. Wenn man lange in Rom lebt, wird man Philosoph. Erst wenn ich die Chronik von Rom werde geschrieben haben,Gregorovius’ späteres achtbändiges Hauptwerk, die „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“ (Stuttgart: Cotta 1859–1872), für das er seit Ende 1855 Studien in römischen Archiven und Bibliotheken betrieb (siehe RT 26.11.1855, S. 57). will ich sagen: ich habe etwas geschaffen, was des Lebens wert ist. Doch zweifle ich; ich bin hart in den Nerven mitgenommen,Gregorovius hatte seine Studien krankheitsbedingt seit Ende Februar 1856 immer wieder unterbrechen müssen und am 16. März 1856 sogar sein Testament aufgesetzt (siehe RT, 24.3.1856, S. 60). Zur Erholung war er am 25. Juni nach Genazzano gereist, wo er bis zum 24. September 1856 geblieben war (siehe ebd., 16.8.–2.10.1856, S. 63–64). und überschaue ich, was ich in diesen 4 Jahren zusammengemäht habe, so wundre ich mich, daß die Kraft noch vorhält.
Gleichfalls danke ich sehr für die Notiz über Jonas.Der gebürtige Ostpreuße und Landschaftsmaler Rudolf Jonas (1822–1888) hatte sich von Mai bis September 1856 auf Korsika aufgehalten. Im Brief an Brockhaus vom 5. August 1856 hatte Gregorovius um Bekanntmachung der geplanten Veröffentlichung eines Albums korsischer Landschaftsmalereien von Rudolf Jonas gebeten. Die erwähnte Notiz vom Brockhaus-Verlag ist nicht nachweisbar. Dieser Maler ist heimgekehrt, mit reichster Ausbeute, und wahrscheinlich wird er das Album mit Paque contrahiren.Gregorovius hatte Cotta am 16. Juli 1856 die korsischen groß- und kleinformatigen Blätter von Rudolf Jonas zum Verlag in einem Album angetragen. Die Publikation kam nicht zustande. Wir werden Ihrer gefälligen Teilnahme an diesem Unternehmen, so weit sie möglich ist, mit großem Danke froh sein.Gregorovius wandte sich offenbar auch an Friedrich Eggers (1819–1872), den Gründer des „Deutschen Kunstblatts“. Im „Deutschen Kunstblatt. Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk“ erschien ein längerer Beitrag über die korsischen Arbeiten von Rudolf Jonas und seine Beziehungen zu Gregorovius (Jg. 7. Nr. 44. Stuttgart 30.10.1856. S. 388, https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/dkb1856/0401) – Und im selben Band unter der Rubrik „Briefwechsel“ die Notiz: „Es geht uns die Anfrage zu, ob Herr Jonas, von dessen korsischen Ansichten wir berichtet haben, nicht auch das Volk und seine Sitten durch Zeichnungen in sein Skizzenbuch aufgenommen habe und seinem Album einzuverleiben gedenke? Unter den Blättern, die uns Vorlagen, haben wir dergleichen nicht gesehen, erinnern uns auch, von dem Maler gehört zu haben, daß er die Korsen, namentlich das schöne Geschlecht, sehr schwer habe zum Portraitirenlassen bewegen können. Eine nähere Antwort erbitten wir hierdurch von ihm.“ (ebd., Nr. 45. Berlin 6.11.1856. S. 396). Siehe den Brief von Gregorovius an Friedrich Eggers vom 11. November 1856.
Ich kam eben von Latium heim, und erwarte nun Druckbogen aus Florenz, wo Le Monnier eine saubre italienische Separatausgabe der Geschichte der Corsen druckt, Übersetzung meines italienischen Freundes, des Grafen Perez.Gregorovius’ Freund Graf Paolo Perez (1822–1879) übersetzte einen Auszug seines „Corsica“ (2 Bde. Stuttgart: Cotta 1854) ins Italienische (Storia dei Corsi. Florenz: Tip. Felice Le Monnier 1857). So hoffe ich denn auch bald die Druckbogen der Grabmäler zu erhalten, und durchzusehn.
Mein Euphorion ist gänzlich fertig,Das Manuskript seines Versgedichtes „Euphorion. Eine Dichtung aus Pompeji in vier Gesängen“ hatte Gregorovius Brockhaus bereits am 22. August 1855 als vor dem Abschluss stehend zum Verlag angetragen. Dort erschien es 1858. und ich würde mir erlauben Ihnen das Manuscript zuzusenden, wenn ich nicht zweifelte, ob es nicht beßer sei, erst den Druck der Grabmäler abzuwarten, und diese wirken zu laßen. Eigentlich wäre es eine paßende Gabe für Weihnachten; es ist das Gedicht leicht und doch antik; sein Mittelpunkt jener herrliche Candelaber von Bronze im Museo Borbonico, deßen Sie sich gewiß | 2verinnern; auf seinem Piedestal stehn ein Altar und ein Panter, auf dem ein kleiner Bacchus reitet.Siehe RT, 31.1.1854, S. 53 und 15.8.1864, S. 182. Über den von Thorsten Fitzon nicht identifizierbaren Leuchter (siehe Thorsten Fitzon: Reisen in das befremdliche Pompeji. Antiklassizistische Antikenwahrnehmung deutscher Italienreisender 1750–1870. Berlin 2004. Zugl.: Freiburg, Univ., Diss. 2002, S. 358) heißt es im Baedeker Reiseführer „Italy. Handbook for Travellers: Third Part, Southern Italy and Sicily“: „[…] a Candelabrum from the villa of Diomedes, a small Bacchus riding on a panther, and a pilaster adorned with a mask and bucranium (skull of an ox), on a square pedestal; the lamps hang from four branches; those at present placed there are not the original“ (Leipzig 1887. S. 77). Eine Abbildung bei Edward Trollope, „Illustrations of ancient art. Selected from objects discovered at Pompeii and Herculaneum“ (London: Bell 1854. S. 34–35, Tafel XV/5, https://archive.org/details/illustrationsofa00troliala/page/n79) und Johannes Overbeck und August Mau: „Pompeji in seinen Gebäuden, Alterthümern und Kunstwerken“ (Leipzig 1884. S. 436, Abb. 233, https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/overbeck1884/0488). Dass dieser mit vier Schalen versehene Leuchter nicht mit dem identisch ist, den Gregorovius für sein Versgedicht vor seinem inneren Auge hatte, belegt der Vergleich mit seiner Beschreibung des Leuchters in seinem Brief an Brockhaus vom 3. Mai 1857. Die Zeit der Handlung ist Pompeji’s Untergang.Zu der Versdichtung „Euphorion“ war Gregorovius im Sommer 1853 bei einem Besuch in Neapel und Pompeji angeregt worden. Zunächst hatte er sie im Januar 1854 als Prosanovelle mit Titel „Der bronzene Kandelaber“ begonnen (siehe RT, 31.1.1854, S. 53). Seine Versdichtung erzählt eine Liebesgeschichte im Schatten des Untergangs der Stadt Pompeji, die in der Villa des Arrius Diomedes spielt. In der Villa des Arrius Diomedes außerhalb der Stadtmauern von Pompeji waren in den 1770er Jahren sehr viele Skelette und einer der reichsten Geldfunde der Stadt geboorgen worden. Gefunden wurde zudem der ins Museo Borbonico (heute Museo archeologico nazionale di Napoli) verbrachte Kandelaber. Ich hoffe, das Gedicht wird sinnvollen Frauen wolgefallen.
Ich schließe, geehrter Herr, hochachtungsvoll und ergebenst
Ferd. Gregorovius
Via della Purificazione Numero 63.