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der Korrespondenz
Hrsg. Angela Steinsiek
Ferdinand Gregorovius an Heinrich Brockhaus in Leipzig
Rom, 1. Oktober 1856


DE
Er ist beruhigt, dass das Manuskript seiner „Grabmäler der Römischen Päpste“ (1857) beim Verlag eingegangen ist. Mit dem Angebot, sein Honorar an den Verkauf zu koppeln, ist er einverstanden; es soll über den Bankier Allessandro Torlonia ausgezahlt werden. Seine Schrift ist Clemens August Alertz gewidmet. Das Titelblatt der zweiten Auflage könnte mit dem von Guglielmo della Porta geschaffenen Grabmal von Papst Paul III. illustriert werden. Er dankt für die Übersendung von Rezensionen seiner „Figuren. Geschichte, Leben und Scenerie aus Italien“ (1856) und für die seiner Übersetzung der „Lieder des Giovanni Meli von Palermo“ (1856). Er ist aber erst stolz, wenn er seine Chronik Roms zu einem Abschluss gebracht haben wird. Die Notiz über die geplante Publikation korsischer Landschaften von Rudolf Jonas weiß er zu schätzen. Die italienische Teilübersetzung seines „Corsica“ (1854) von Paolo Perez wird in Kürze erscheinen (1857). Er kann das Manuskript seiner Dichtung „Euphorion“ (1858) übersenden, doch sollen zunächst seine „Grabmäler der Römischen Päpste“ ausgegeben werden.

EN
He is relieved that the manuscript of his „Grabmäler der Römischen Päpste“ (1857) has reached the publisher. He accepts the offer to link his fee to the sale; it is to be paid through the banker Allessandro Torlonia. His work is dedicated to Clemens August Alertz. The title page of the second edition could be illustrated with the Tomb of Pope Paul III, created by Guglielmo della Porta. He thanks Brockhaus for sending reviews of his „Figuren. Geschichte, Leben und Scenerie aus Italien“ (1856) and for his translation of the „Lieder des Giovanni Meli von Palermo“ (1856). But he will only be proud when he has brought his chronicle of Rome to its conclusion. He appreciates the note about the planned publication of Corsican landscapes by Rudolf Jonas. The Italian partial translation of his „Corsica“ (1854) by Paolo Perez will be published shortly (1857). He can send the manuscript of his poem „Euphorion“ (1858), but his „Grabmäler der Römischen Päpste“ are to be published first.
| 1r

Rom 1. October 1856.

Sehr geehrter Herr,

Heinrich Brockhaus hatte 1854 mit Gregorovius Kontakt aufgenommen: Nachdem von den „Blättern für literarische Unterhaltung“ sein Beitrag „Ein Blick in die romanische Literatur Siciliens“ angenommen worden war, hatte ihn der Verleger mit einer historisch-statistischen Arbeit für „Die Gegenwart“ beauftragt (Das Königreich beider Sicilien in seinen gegenwärtigen Zuständen; siehe den Brief von Gregorovius an Heinrich Brockhaus vom 6.1.1855). Mit der Verlagsannahme des dann „Figuren. Geschichte, Leben und Scenerie aus Italien“ genannten Bandes (1856), den Cotta nach dem buchhändlerischen Misserfolg seines „Corsica“ (1854) abgelehnt hatte, sind die Briefe von Gregorovius zunächst von Dankbarkeit geprägt – glaubte er doch, für seine zahlreichen geplanten Schriften einen Stammverlag gefunden zu haben (siehe den Brief von Gregorovius an Heinrich Brockhaus vom 22.8.1855), zumal rasch hintereinander seine „Lieder des Giovanni Meli von Palermo“ (1856), „Die Grabmäler der Römischen Päpste“ (1857) und „Euphorion“ (1858) folgten. Den Verlag seines späteren Hauptwerks, der „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“ (1859–1872), dessen Konzept er Brockhaus mit seinem Schreiben vom 8. März 1858 übersandte, wurde indes abgelehnt, so dass Gregorovius es am 20. Mai 1858 Johann Georg Cotta von Cottendorf (1796–1863) zum Verlag anbot. Die Verlagsgeschäfte führte in dieser Zeit allerdings Eduard Brockhaus, weil der Seniorverleger Ende Januar 1857 an einer Myokarditis erkrankt war und sich dann vom Herbst 1857 bis Mitte 1859 auf Reisen in Ägypten, Palästina, Syrien, Griechenland und Italien zu erholen suchte. Auf seiner Rückreise über Sizilien (siehe den Brief von Gregorovius an Lionardo Vigo vom 14.12.1858) und Rom traf Gregorovius Heinrich Brockhaus im März 1859 erstmals persönlich, wo er befand, er sei „ein lebenskräftiger und einfacher Mann“ (siehe RT, 2.4.1859, S. 78). Nach dieser ersten Begegnung wurden auch die Briefe von Gregorovius zunehmend verbindlich, zuweilen fast freundschaftlich. Brockhaus trug Gregorovius – vermutlich bei ihrem nächsten Treffen am 31. Juli 1860 in Leipzig – eine Fortsetzung seiner überaus erfolgreichen italienischen Reiseessays an, den „Siciliana“ (1861). Für ein verdoppeltes Honorar konnte er Gregorovius, der immer wieder erklärte, „den Sinn für diese Dinge verloren“ zu haben, auch zu einem weiteren Band veranlassen: Die „Lateinischen Sommer“ (1864) erschienen nunmehr unter dem Reihentitel „Wanderjahre in Italien“, die noch bis 1913 in diesem Verlag in zahlreichen Auflagen nachgedruckt wurden (siehe die Briefe von Gregorovius an Heinrich Brockhaus vom 13.9.1860, 10.1.1863 und 10.3.1863). Einen Beitrag zum Raumerschen „Historischen Taschenbuch“ lehnte Gregorovius am 6. August 1864 zwar ab, lieferte aber ab 1873 mehrere Artikel für das „Conversations-Lexikon“. Am 2. Mai 1865 empfahl Gregorovius den erneut nach Italien reisenden Brockhaus Michele Amari (1806–1889) als einen der ersten Verleger Deutschlands zur Teilnahme an den Dante-Festlichkeiten zum 600. Geburtstag des Dichters in Florenz (siehe den Brief von Gregorovius an Eduard Brockhaus vom 27.6.1865). Kurz nachdem im Sommer 1869 ein persönliches Treffen in der Schweiz nicht zustande kam, regte Gregorovius selbst einen vierten Band der „Wanderjahre in Italien“, „Von Ravenna bis Mentana“ (1871), an (siehe den Brief von Gregorovius an Brockhaus vom 31.12.1869). Mit dem Verkaufserfolg stiegen auch die Honorarforderungen von Gregorovius stetig, der den Verlag ab 1872 um den Ankauf von Wertpapieren in seinem Namen ersuchte. Ein letztes Mal sahen sich Gregorovius und Brockhaus im August 1873 in Traunstein, als der Verleger ihn auf einer von Mitte Juni bis Ende Oktober 1873 unternommenen Erholungsfahrt in Süddeutschland dort besuchte (siehe den Brief von Gregorovius an Brockhaus vom 9.10.1873). – Von ihrer Korrespondenz sind 52 direkt an Heinrich Brockhaus gerichtete Schreiben von Gregorovius aus den Jahren 1855 bis 1874 erhalten, während von den (sicher von Gregorovius selbst vernichteten) Gegenbriefen nur ein einziges Schreiben von 1862 (als Durchschlag) nachweisbar ist. Im ehemaligen Brockhaus-Archiv (heute im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig) haben sich rund 330 Briefe von Gregorovius an Heinrich, Eduard und Rudolf Brockhaus sowie an den F. A. Brockhaus Verlag oder an einzelne Mitarbeiter erhalten. Sie werden hier erstmals in repräsentativer Auswahl ediert und umfänglich kommentiert. Die Briefe gewähren einen detaillierten Blick in die Werkstatt des freischaffenden Schriftstellers und Historikers (zumal mit den im Erstdruck nur unvollständig und oft gekürzten Briefen an Cotta, für die jetzt die nahezu vollständig in Briefkopierbüchern überlieferten Gegenbriefe für die Kommentare berücksichtigt wurden).

Ihr geneigtes Schreiben erhielt ich richtig, nachdem ich eben zuvor eine Anfrage und einen Laufzettel dem Manuscript nachgeschickt hatte. Ich bin froh, daß es in Ihren Händen ist.

Als ich wegen dieser neuen Schrift Ihnen zu schreiben vorhatte, war es mein Wunsch, Ihnen selbst als ein Zeichen eines unbegrenzten Vertrauens in Ihr Wolwollen, den Betrag der Summe zu überlaßen; weil ich aber bedachte, es könnte mir solches falsch gedeutet werden, als wollte ich eben damit ein höheres Honorar erzielen, unterließ ich es, und stellte meine Bedingungen, beides erwägend, Ihren zu erzielenden Gewinn, wie meine Ansprüche. Ich sehe wol, daß Sie im Ganzen meinen Satz als gerecht befunden haben, aber es schmerzte mich, daß Sie jene Summe von 300 Thalern in 2 Raten zerteilen wollen.

Hic meret aera liber Sosiis: hic mare transit – dies ist mein unerschütterter Glaube; und die Zweifellosigkeit des Unternehmens ist mir so offenbar, daß ich nicht ein Wort darüber sagen mag. Eine Summe von 300 Thalern sichert mich für einige Zeit, und gibt mir Ruhe für die Chronik von Rom; 150 Thaler entfernen die Sorge für nicht allzulange. Ich möchte mutiger von dieser Schrift denken, und vor allem ist es mein Wunsch, zu Ihnen in der freien Stellung des Vertrauens zu bleiben. Darum sage ich, wenn Sie nicht anders urteilen, geschehe es, weil Sie es so wollen; und ich werde die Teilung | 1vdes Honorars in 2 Raten acceptiren, nur wünsche ich, daß Sie die erste von 150 Thalern um das Geringe von 50 erhöhen, mir also für die I. Auflage von 1000 Exemplaren 200 Thaler vorauf –, und 100 Thaler nach dem Verkaufe von 150 Exemplaren nachzahlen.

Ich werde mich in Ihre Ansicht betreffs der folgenden Auflagen von je 1000 Exemplaren fügen, wenn Sie dieselben nicht höher, als mit 150 Thalern honoriren wollen.

Ich bitte um 15 Freiexemplare.

Ich werde Ihr Schreiben abwarten, und die Summe dann erst erheben, die Sie mir gönnen mögen. Mir wäre es erwünscht, wenn Sie mir dieselbe durch Torlonia auszahlen ließen, denn ich mag mir von den Deutschen in Rom nicht gern in meine Honorare hineinsehn laßen.

Fructus mundi ruina est.
Der Papst Gregorius I.

Ich bitte diesen sehr wahren Spruch als Motto über die Widmung an (den Geheimrat) Alertz zu setzen, deßen Name mit t zu schreiben ist. Wenn wir die 2. Auflage der Pabstgber veranstalten, so wird es in Ihrem Belieben stehn, dieselbe mit dem Grabmal Pauls III. von Wilhelm della Porta zu zieren.

Ich danke Ihnen aufrichtig für die Übersendung der Recensionen: für die Folge würde ich nur um das bitten, was das Deutsche Museum sagt. | 2rich lese Recensionen ungern. Wenn man lange in Rom lebt, wird man Philosoph. Erst wenn ich die Chronik von Rom werde geschrieben haben, will ich sagen: ich habe etwas geschaffen, was des Lebens wert ist. Doch zweifle ich; ich bin hart in den Nerven mitgenommen, und überschaue ich, was ich in diesen 4 Jahren zusammengemäht habe, so wundre ich mich, daß die Kraft noch vorhält.

Gleichfalls danke ich sehr für die Notiz über Jonas. Dieser Maler ist heimgekehrt, mit reichster Ausbeute, und wahrscheinlich wird er das Album mit Paque contrahiren. Wir werden Ihrer gefälligen Teilnahme an diesem Unternehmen, so weit sie möglich ist, mit großem Danke froh sein.

Ich kam eben von Latium heim, und erwarte nun Druckbogen aus Florenz, wo Le Monnier eine saubre italienische Separatausgabe der Geschichte der Corsen druckt, Übersetzung meines italienischen Freundes, des Grafen Perez. So hoffe ich denn auch bald die Druckbogen der Grabmäler zu erhalten, und durchzusehn.

Mein Euphorion ist gänzlich fertig, und ich würde mir erlauben Ihnen das Manuscript zuzusenden, wenn ich nicht zweifelte, ob es nicht beßer sei, erst den Druck der Grabmäler abzuwarten, und diese wirken zu laßen. Eigentlich wäre es eine paßende Gabe für Weihnachten; es ist das Gedicht leicht und doch antik; sein Mittelpunkt jener herrliche Candelaber von Bronze im Museo Borbonico, deßen Sie sich gewiß | 2verinnern; auf seinem Piedestal stehn ein Altar und ein Panter, auf dem ein kleiner Bacchus reitet. Die Zeit der Handlung ist Pompeji’s Untergang. Ich hoffe, das Gedicht wird sinnvollen Frauen wolgefallen.

Ich schließe, geehrter Herr, hochachtungsvoll und ergebenst

Ferd. Gregorovius

Via della Purificazione Numero 63.

Zitierhinweis: Ferdinand Gregorovius an Heinrich Brockhaus in Leipzig. Rom, 1. Oktober 1856. In: Ferdinand Gregorovius. Poesie und Wissenschaft. Gesammelte deutsche und italienische Briefe (digitale Edition). Hrsg. von Angela Steinsiek. Deutsches Historisches Institut in Rom 2017–2023. URL: https://gregorovius-edition.dhi-roma.it/letters/G000019