Rom 1. October 1856.
Sehr geehrter Herr,Der Verleger Heinrich Brockhaus (1804–1874) war ein Sohn des Verlagsgründers Friedrich Arnold Brockhaus (1772–1823), der den Verlag F. A. Brockhaus 1817 in Leipzig angesiedelt und um eine Buchdruckerei erweitert hatte. Heinrich Brockhaus begann bereits im Alter von 15 Jahren eine Lehre im väterlichen Betrieb, dessen Leitung er nur wenige Jahre später übernehmen musste – gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich Brockhaus (1800–1865), der bis 1849 Geschäftsführer der Druckerei war, bevor er mit einer Abfindung aus dem Familienunternehmen ausschied (er war mit einer Schwester von Richard Wagner verheiratet, ebenso wie der dritte Bruder, der Orientalist Hermann Brockhaus [1806–1877]). 1850 trat Heinrich Brockhaus’ Sohn Eduard (1829–1914) in den Verlag ein, zunächst als Lehrling, ab 1852 als Prokurist und ab 1854 als Teilhaber. 1863 wurde auch der zweite Sohn Rudolf (1838–1898) Teilhaber. Heinrich Brockhaus eignete sich autodidaktisch ein großes Wissen in Literatur und Kunst an und erlernte mehrere Fremdsprachen. Er gründete den Leipziger Kunstverein und trug eine Sammlung von Ölgemälden, Zeichnungen und Kupferstichen zusammen. Er führte lebenslang Tagebücher, auch auf seinen zahlreichen gut vorbereiteten, ausgedehnten Reisen in Europa bis nach Nordafrika und in den Orient, die er zudem zur Pflege und Anbahnung seiner verlegerischen Kontakte zu nutzten wusste (von seinem Sohn Rudolf wurden 1884–1887 fünf Bände „Aus den Tagebüchern von Heinrich Brockhaus“ herausgegeben; die Manuskripte sind verloren, Neudruck Erlangen 2003–2018). Politisch engagierte Brockhaus sich schon vor seiner Mitgliedschaft im Frankfurter Vorparlament (1848) in buchhändlerischen Ausschüssen und Vorständen, als Mitglied des Sächsischen Landtags und Angehöriger des Leipziger Stadtparlaments für soziale Belange sowie als Vorstandsmitglied des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler für Urheberrechtsfragen. Bestens vernetzt war Brockhaus auch durch verwandtschaftliche Bande: Er selbst war seit 1827 mit Pauline, geb. Campe (1808–1886), einer Nichte des Hamburger Verlegers Julius Campe (1792–1867), verheiratet. Brockhaus’ Tochter Helene (1835–1909) war die Ehefrau des Braunschweiger Verlegers Heinrich Vieweg (1826–1890). Brockhaus wusste das erfolgreiche Lebenswerk seines Vaters den sich wandelnden Erfordernissen des Marktes anzupassen und das Unternehmen zu einem der führenden deutschen wie auch international agierenden Verlag auszubauen. Das „Conversations-Lexikon“ wurde mit dem Erwerb der Buchhandlung Johann Friedrich Gleditsch (1831) durch das riesige lexikographische Unternehmen der „Allgemeinen Encyclopädie der Wissenschaften und Künste“ (1818–1889) ergänzt. Weitere enzyklopädische Nebenreihen wie „Die Gegenwart. Eine encyklopädische Darstellung der neuesten Zeitgeschichte für alle Stände“ (1848–1856) und „Unsere Zeit. Deutsche Revue der Gegenwart“ (1857–1891) wurden gegründet, aber auch literarische Zeitschriften wie die „Blätter für literarische Unterhaltung“ (1826–1891). Das „Deutsche Museum. Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben“ (1851–1867) übernahm Brockhaus 1853 von der J. C. Hinrichs’schen Buchhandlung. Unter seiner Leitung wurden erfolgreiche Reihen wie das „Historische Taschenbuch“ (1830–1892) und die Sammlung von Kriminalgeschichten, „Der neue Pitaval“ (1842–1890) begonnen. Zum literarischen Verlagsprogramm gehörten Reiseliteratur, Memoiren, Tagebücher und Briefwechsel. Einträglich waren auch Ausgaben aus dem Nachlass von Ludwig Tieck (1773–1853), Johann Peter Eckermanns (1792–1854) „Gespräche mit Goethe“ und zahlreiche Erfolgsautoren wie Friedrich Raumer (1781–1873) und Karl Gutzkow (1811–1878) sowie Arthur Schopenhauer (1788–1860), der erst lange nach dem Erstdruck seines Hauptwerks bei Brockhaus, „Die Welt als Wille und Vorstellung“ (1819), berühmt geworden war. Die Möglichkeiten der neuen Massen-Reproduktionstechniken erkennend, gründete Brockhaus 1855 die lithographische und 1857 die xylographische Anstalt F. A. Brockhaus. 1864 eröffnete er eine Filiale in Wien, 1871 in Berlin. Von der Universität Jena wurde Brockhaus 1858 die Ehrendoktorwürde verliehen, 1872 die Ehrenbürgerschaft von Leipzig. Heinrich Brockhaus hatte 1854 mit Gregorovius Kontakt aufgenommen: Nachdem von den „Blättern für literarische Unterhaltung“ sein Beitrag „Ein Blick in die romanische Literatur Siciliens“ angenommen worden war, hatte ihn der Verleger mit einer historisch-statistischen Arbeit für „Die Gegenwart“ beauftragt (Das Königreich beider Sicilien in seinen gegenwärtigen Zuständen; siehe den Brief von Gregorovius an Heinrich Brockhaus vom 6.1.1855). Mit der Verlagsannahme des dann „Figuren. Geschichte, Leben und Scenerie aus Italien“ genannten Bandes (1856), den Cotta nach dem buchhändlerischen Misserfolg seines „Corsica“ (1854) abgelehnt hatte, sind die Briefe von Gregorovius zunächst von Dankbarkeit geprägt – glaubte er doch, für seine zahlreichen geplanten Schriften einen Stammverlag gefunden zu haben (siehe den Brief von Gregorovius an Heinrich Brockhaus vom 22.8.1855), zumal rasch hintereinander seine „Lieder des Giovanni Meli von Palermo“ (1856), „Die Grabmäler der Römischen Päpste“ (1857) und „Euphorion“ (1858) folgten. Den Verlag seines späteren Hauptwerks, der „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“ (1859–1872), dessen Konzept er Brockhaus mit seinem Schreiben vom 8. März 1858 übersandte, wurde indes abgelehnt, so dass Gregorovius es am 20. Mai 1858 Johann Georg Cotta von Cottendorf (1796–1863) zum Verlag anbot. Die Verlagsgeschäfte führte in dieser Zeit allerdings Eduard Brockhaus, weil der Seniorverleger Ende Januar 1857 an einer Myokarditis erkrankt war und sich dann vom Herbst 1857 bis Mitte 1859 auf Reisen in Ägypten, Palästina, Syrien, Griechenland und Italien zu erholen suchte. Auf seiner Rückreise über Sizilien (siehe den Brief von Gregorovius an Lionardo Vigo vom 14.12.1858) und Rom traf Gregorovius Heinrich Brockhaus im März 1859 erstmals persönlich, wo er befand, er sei „ein lebenskräftiger und einfacher Mann“ (siehe RT, 2.4.1859, S. 78). Nach dieser ersten Begegnung wurden auch die Briefe von Gregorovius zunehmend verbindlich, zuweilen fast freundschaftlich. Brockhaus trug Gregorovius – vermutlich bei ihrem nächsten Treffen am 31. Juli 1860 in Leipzig – eine Fortsetzung seiner überaus erfolgreichen italienischen Reiseessays an, den „Siciliana“ (1861). Für ein verdoppeltes Honorar konnte er Gregorovius, der immer wieder erklärte, „den Sinn für diese Dinge verloren“ zu haben, auch zu einem weiteren Band veranlassen: Die „Lateinischen Sommer“ (1864) erschienen nunmehr unter dem Reihentitel „Wanderjahre in Italien“, die noch bis 1913 in diesem Verlag in zahlreichen Auflagen nachgedruckt wurden (siehe die Briefe von Gregorovius an Heinrich Brockhaus vom 13.9.1860, 10.1.1863 und 10.3.1863). Einen Beitrag zum Raumerschen „Historischen Taschenbuch“ lehnte Gregorovius am 6. August 1864 zwar ab, lieferte aber ab 1873 mehrere Artikel für das „Conversations-Lexikon“. Am 2. Mai 1865 empfahl Gregorovius den erneut nach Italien reisenden Brockhaus Michele Amari (1806–1889) als einen der ersten Verleger Deutschlands zur Teilnahme an den Dante-Festlichkeiten zum 600. Geburtstag des Dichters in Florenz (siehe den Brief von Gregorovius an Eduard Brockhaus vom 27.6.1865). Kurz nachdem im Sommer 1869 ein persönliches Treffen in der Schweiz nicht zustande kam, regte Gregorovius selbst einen vierten Band der „Wanderjahre in Italien“, „Von Ravenna bis Mentana“ (1871), an (siehe den Brief von Gregorovius an Brockhaus vom 31.12.1869). Mit dem Verkaufserfolg stiegen auch die Honorarforderungen von Gregorovius stetig, der den Verlag ab 1872 um den Ankauf von Wertpapieren in seinem Namen ersuchte. Ein letztes Mal sahen sich Gregorovius und Brockhaus im August 1873 in Traunstein, als der Verleger ihn auf einer von Mitte Juni bis Ende Oktober 1873 unternommenen Erholungsfahrt in Süddeutschland dort besuchte (siehe den Brief von Gregorovius an Brockhaus vom 9.10.1873). – Von ihrer Korrespondenz sind 52 direkt an Heinrich Brockhaus gerichtete Schreiben von Gregorovius aus den Jahren 1855 bis 1874 erhalten, während von den (sicher von Gregorovius selbst vernichteten) Gegenbriefen nur ein einziges Schreiben von 1862 (als Durchschlag) nachweisbar ist. Im ehemaligen Brockhaus-Archiv (heute im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig) haben sich rund 330 Briefe von Gregorovius an Heinrich, Eduard und Rudolf Brockhaus sowie an den F. A. Brockhaus Verlag oder an einzelne Mitarbeiter erhalten. Sie werden hier erstmals in repräsentativer Auswahl ediert und umfänglich kommentiert. Die Briefe gewähren einen detaillierten Blick in die Werkstatt des freischaffenden Schriftstellers und Historikers (zumal mit den im Erstdruck nur unvollständig und oft gekürzten Briefen an Cotta, für die jetzt die nahezu vollständig in Briefkopierbüchern überlieferten Gegenbriefe für die Kommentare berücksichtigt wurden).
Ihr geneigtes Schreiben erhielt ich richtig,Nach dem Beantwortungsvermerk auf den Brief von Gregorovius an Brockhaus vom 16. August 1856 hatte der Verlag zuletzt am 15. September 1856 geschrieben. nachdem ich eben zuvor eine Anfrage und einen Laufzettel dem Manuscript nachgeschickt hatte.Gregorovius hatte dem vermissten Manuskript der Buchpublikation seiner „Grabmäler der Römischen Päpste. Historische Studie“ (Leipzig: Brockhaus 1857), das er Brockhaus am 12. Juli 1856 zum Verlag angetragen hatte, am 27. September 1856 einen postalischen Laufzettel hinterhergeschickt (siehe Malwida von Meysenbug: „Die Malerei war immer meine liebste Kunst“. Hrsg. Vera Leuschner. Bielefeld [u. a.]: 2002. S. 215–216). Ich bin froh, daß es in Ihren Händen ist.In Genazzano, wo Gregorovius sich vom 25. Juni bis zum 24. September 1856 aufgehalten hatte (siehe RT, 16.8.–2.10.1856, S. 63–64), war das Manuskript der Buchpublikation seiner „Grabmäler der Römischen Päpste. Historische Studie“ (Leipzig: Brockhaus 1857) abgeschlossen worden. Nach seinem Tagebucheintrag war der Versand am 7. August erfolgt (siehe ebd., 16.8.1856, S. 63).
Als ich wegen dieser neuen Schrift Ihnen zu schreiben vorhatte, war es mein Wunsch, Ihnen selbst als ein Zeichen eines unbegrenzten Vertrauens in Ihr Wolwollen, den Betrag der Summe zu überlaßen; weil ich aber bedachte, es könnte mir solches falsch gedeutet werden, als wollte ich eben damit ein höheres Honorar erzielen, unterließ ich es, und stellte meine Bedingungen, beides erwägend, Ihren zu erzielenden Gewinn, wie meine Ansprüche.Gregorovius hatte Brockhaus am 16. August 1856 seine Vertragsbedingungen für seine „Die Grabmäler der Römischen Päpste“ (1857) genannt. Ich sehe wol, daß Sie im Ganzen meinen Satz als gerecht befunden haben, aber es schmerzte mich, daß Sie jene Summe von 300 Thalern in 2 Raten zerteilen wollen.Gregorovius hatte für die erste Auflage von 1.000 Exemplaren ein Honorar von 300 Talern nach Annahme des Manuskripts verlangt (siehe den Brief von Gregorovius an Brockhaus vom 16.8.1856).
Hic meret aera liber Sosiis: hic mare transitHoraz, „De arte poetica liber“ (345 – dt.: Solch Buch verdient den Gebrüdern Sosius die Groschen: es wandert auch über See). – dies ist mein unerschütterter Glaube; und die Zweifellosigkeit des Unternehmens ist mir so offenbar, daß ich nicht ein Wort darüber sagen mag. Eine Summe von 300 Thalern sichert mich für einige Zeit, und gibt mir Ruhe für die Chronik von Rom; 150 Thaler entfernen die Sorge für nicht allzulange. Ich möchte mutiger von dieser Schrift denken, und vor allem ist es mein Wunsch, zu Ihnen in der freien Stellung des Vertrauens zu bleiben. Darum sage ich, wenn Sie nicht anders urteilen, geschehe es, weil Sie es so wollen; und ich werde die Teilung | 1vdes Honorars in 2 Raten acceptiren, nur wünsche ich, daß Sie die erste von 150 Thalern um das Geringe von 50 erhöhen, mir also für die I. Auflage von 1000 Exemplaren 200 Thaler vorauf –, und 100 Thaler nach dem Verkaufe von 150 Exemplaren nachzahlen.Nach dem Brief von Gregorovius an Brockhaus vom 27. Oktober 1856 lehnte Brockhaus diesen Vorschlag ab (Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Bestand 21083, Archivalnummer 22, 36).
Ich werde mich in Ihre Ansicht betreffs der folgenden Auflagen von je 1000 Exemplaren fügen, wenn Sie dieselben nicht höher, als mit 150 Thalern honoriren wollen.
Ich bitte um 15 Freiexemplare.
Ich werde Ihr Schreiben abwarten, und die Summe dann erst erheben, die Sie mir gönnen mögen. Mir wäre es erwünscht, wenn Sie mir dieselbe durch Torlonia auszahlen ließen,Durch den Bankier, Unternehmer und Kunstsammler Allessandro Torlonia (1800–1886). Die Torlonia gehörten zum jüngeren römischen Geldadel. Siehe auch RT: „Hier ist die Prinzessin Torlonia [Teresia Doria Colonna, 1822–1875)] wahnsinnig geworden. Sie ist eine schöne Dame vom alten Haus Colonna. Als der Bankier ihre Hand gewann, sagte er: sie ist eine antike Statue, und ich habe das Postament von Gold, sie darauf zu stellen.“ (30.4.1856, S. 60–61) denn ich mag mir von den Deutschen in Rom nicht gern in meine Honorare hineinsehn laßen.
Fructus mundi ruina est.
Der Papst Gregorius I.Gregor I. (um 540–604; 590–604 Papst), „Homilia in evangelium“ (dt. etwa: Der Weltenlohn ist der Untergang. Das Motto wurde der Widmung wunschgemäß vorangestellt).
Ich bitte diesen sehr wahren Spruch als Motto über die Widmung an (den Geheimrat) Alertz zu setzen, deßen Name mit t zu schreiben ist.Seinen „Die Grabmälern der Römischen Päpste“ hatte Gregorovius ein auf den 26. Juli 1856 datiertes Widmungsschreiben an seinen Freund Clemens August Alertz (1800–1866) vorangestellt, dem ehemaligen Leibarzt der Päpste Gregor XVI. (1765–1856) und Pius IX. (1792–1878), des Prinzen Heinrich von Preußen (1781–1846), der zuletzt auch preußischer Gesandtschaftsarzt war. Wenn wir die 2. Auflage der Pabstgräber veranstalten,Die „Zweite neu umgearbeitete Auflage“ erschien unter dem Titel „Die Grabdenkmäler der Päpste. Marksteine der Geschichte des Papsttums“ erst 1881 bei Brockhaus. so wird es in Ihrem Belieben stehn, dieselbe mit dem Grabmal Pauls III. von Wilhelm della PortaDas Grabmal von Papst Paul III. (1486–1549) ist das 1555 bis 1575 entstandene Hauptwerk des Michelangelo-Schülers Guglielmo della Porta (1500/10–1577) im Petersdom in der Nische neben Berninis Kathedra Petri. zu zieren.
Ich danke Ihnen aufrichtig für die Übersendung der Recensionen:Am 12. Juli 1856 hatte Gregorovius um Zusendung der Besprechung seiner Übersetzung der „Lieder des Giovanni Meli von Palermo“ (1856) von Robert Prutz (1816–1872) gebeten (Uebersetzungsliteratur. In: Deutsches Museum. Zeitschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben. Jg. 6. Nr. 29. Leipzig: Brockhaus 17.7.1856. S. 108–117, hier S. 114–115). In seinem Schreiben vom 5. August 1856 hatte er sich insbesondere über eine sehr positive Rezension seiner „Figuren. Geschichte, Leben und Scenerie aus Italien“ (1856) von August Lammers (1831–1892) im „Deutschen Museum“ erfreut gezeigt (Nr. 21. Leipzig: Brockhaus 22.5.1856. S. 771–773). Bis zum Oktober 1856 waren rund ein Dutzend Besprechungen seiner „Figuren“ erschienen. für die Folge würde ich nur um das bitten, was das Deutsche Museum sagt. | 2rich lese Recensionen ungern. Wenn man lange in Rom lebt, wird man Philosoph. Erst wenn ich die Chronik von Rom werde geschrieben haben,Gregorovius’ späteres achtbändiges Hauptwerk, die „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“ (Stuttgart: Cotta 1859–1872), für das er seit Ende 1855 Studien in römischen Archiven und Bibliotheken betrieb (siehe RT 26.11.1855, S. 57). will ich sagen: ich habe etwas geschaffen, was des Lebens wert ist. Doch zweifle ich; ich bin hart in den Nerven mitgenommen,Gregorovius hatte seine Studien krankheitsbedingt seit Ende Februar 1856 immer wieder unterbrechen müssen und am 16. März 1856 sogar sein Testament aufgesetzt (siehe RT, 24.3.1856, S. 60). Zur Erholung war er am 25. Juni nach Genazzano gereist, wo er bis zum 24. September 1856 geblieben war (siehe ebd., 16.8.–2.10.1856, S. 63–64). und überschaue ich, was ich in diesen 4 Jahren zusammengemäht habe, so wundre ich mich, daß die Kraft noch vorhält.
Gleichfalls danke ich sehr für die Notiz über Jonas.Der gebürtige Ostpreuße und Landschaftsmaler Rudolf Jonas (1822–1888) hatte sich von Mai bis September 1856 auf Korsika aufgehalten. Im Brief an Brockhaus vom 5. August 1856 hatte Gregorovius um Bekanntmachung der geplanten Veröffentlichung eines Albums korsischer Landschaftsmalereien von Rudolf Jonas gebeten. Die erwähnte Notiz vom Brockhaus-Verlag ist nicht nachweisbar. Dieser Maler ist heimgekehrt, mit reichster Ausbeute, und wahrscheinlich wird er das Album mit Paque contrahiren.Gregorovius hatte Cotta am 16. Juli 1856 die korsischen groß- und kleinformatigen Blätter von Rudolf Jonas zum Verlag in einem Album angetragen. Die Publikation kam nicht zustande. Wir werden Ihrer gefälligen Teilnahme an diesem Unternehmen, so weit sie möglich ist, mit großem Danke froh sein.Gregorovius wandte sich offenbar auch an Friedrich Eggers (1819–1872), den Gründer des „Deutschen Kunstblatts“. Im „Deutschen Kunstblatt. Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk“ erschien ein längerer Beitrag über die korsischen Arbeiten von Rudolf Jonas und seine Beziehungen zu Gregorovius (Jg. 7. Nr. 44. Stuttgart 30.10.1856. S. 388, https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/dkb1856/0401) – Und im selben Band unter der Rubrik „Briefwechsel“ die Notiz: „Es geht uns die Anfrage zu, ob Herr Jonas, von dessen korsischen Ansichten wir berichtet haben, nicht auch das Volk und seine Sitten durch Zeichnungen in sein Skizzenbuch aufgenommen habe und seinem Album einzuverleiben gedenke? Unter den Blättern, die uns Vorlagen, haben wir dergleichen nicht gesehen, erinnern uns auch, von dem Maler gehört zu haben, daß er die Korsen, namentlich das schöne Geschlecht, sehr schwer habe zum Portraitirenlassen bewegen können. Eine nähere Antwort erbitten wir hierdurch von ihm.“ (ebd., Nr. 45. Berlin 6.11.1856. S. 396). Siehe den Brief von Gregorovius an Friedrich Eggers vom 11. November 1856.
Ich kam eben von Latium heim, und erwarte nun Druckbogen aus Florenz, wo Le Monnier eine saubre italienische Separatausgabe der Geschichte der Corsen druckt, Übersetzung meines italienischen Freundes, des Grafen Perez.Gregorovius’ Freund Graf Paolo Perez (1822–1879) übersetzte einen Auszug seines „Corsica“ (2 Bde. Stuttgart: Cotta 1854) ins Italienische (Storia dei Corsi. Florenz: Tip. Felice Le Monnier 1857). So hoffe ich denn auch bald die Druckbogen der Grabmäler zu erhalten, und durchzusehn.
Mein Euphorion ist gänzlich fertig,Das Manuskript seines Versgedichtes „Euphorion. Eine Dichtung aus Pompeji in vier Gesängen“ hatte Gregorovius Brockhaus bereits am 22. August 1855 als vor dem Abschluss stehend zum Verlag angetragen. Dort erschien es 1858. und ich würde mir erlauben Ihnen das Manuscript zuzusenden, wenn ich nicht zweifelte, ob es nicht beßer sei, erst den Druck der Grabmäler abzuwarten, und diese wirken zu laßen. Eigentlich wäre es eine paßende Gabe für Weihnachten; es ist das Gedicht leicht und doch antik; sein Mittelpunkt jener herrliche Candelaber von Bronze im Museo Borbonico, deßen Sie sich gewiß | 2verinnern; auf seinem Piedestal stehn ein Altar und ein Panter, auf dem ein kleiner Bacchus reitet.Siehe RT, 31.1.1854, S. 53 und 15.8.1864, S. 182. Über den von Thorsten Fitzon nicht identifizierbaren Leuchter (siehe Thorsten Fitzon: Reisen in das befremdliche Pompeji. Antiklassizistische Antikenwahrnehmung deutscher Italienreisender 1750–1870. Berlin 2004. Zugl.: Freiburg, Univ., Diss. 2002, S. 358) heißt es im Baedeker Reiseführer „Italy. Handbook for Travellers: Third Part, Southern Italy and Sicily“: „[…] a Candelabrum from the villa of Diomedes, a small Bacchus riding on a panther, and a pilaster adorned with a mask and bucranium (skull of an ox), on a square pedestal; the lamps hang from four branches; those at present placed there are not the original“ (Leipzig 1887. S. 77). Eine Abbildung bei Edward Trollope, „Illustrations of ancient art. Selected from objects discovered at Pompeii and Herculaneum“ (London: Bell 1854. S. 34–35, Tafel XV/5, https://archive.org/details/illustrationsofa00troliala/page/n79) und Johannes Overbeck und August Mau: „Pompeji in seinen Gebäuden, Alterthümern und Kunstwerken“ (Leipzig 1884. S. 436, Abb. 233, https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/overbeck1884/0488). Dass dieser mit vier Schalen versehene Leuchter nicht mit dem identisch ist, den Gregorovius für sein Versgedicht vor seinem inneren Auge hatte, belegt der Vergleich mit seiner Beschreibung des Leuchters in seinem Brief an Brockhaus vom 3. Mai 1857. Die Zeit der Handlung ist Pompeji’s Untergang.Zu der Versdichtung „Euphorion“ war Gregorovius im Sommer 1853 bei einem Besuch in Neapel und Pompeji angeregt worden. Zunächst hatte er sie im Januar 1854 als Prosanovelle mit Titel „Der bronzene Kandelaber“ begonnen (siehe RT, 31.1.1854, S. 53). Seine Versdichtung erzählt eine Liebesgeschichte im Schatten des Untergangs der Stadt Pompeji, die in der Villa des Arrius Diomedes spielt. In der Villa des Arrius Diomedes außerhalb der Stadtmauern von Pompeji waren in den 1770er Jahren sehr viele Skelette und einer der reichsten Geldfunde der Stadt geboorgen worden. Gefunden wurde zudem der ins Museo Borbonico (heute Museo archeologico nazionale di Napoli) verbrachte Kandelaber. Ich hoffe, das Gedicht wird sinnvollen Frauen wolgefallen.
Ich schließe, geehrter Herr, hochachtungsvoll und ergebenst
Ferd. Gregorovius
Via della Purificazione Numero 63.